Das Stigmatisierungsproblem des diagnostischen Klassifikationssystemen
Das Stigmatisierungsproblem wurde vor allem in den 60er Jahren durch Goffman und Scheff ins Bewusstsein gehoben, indem sie Mechanismen untersuchten, wie abweichendem Verhalten in der Gesellschaft der Status von Ulk, Kriminalität oder Krankheit zugewiesen wird. Insbesondere die psychiatrische Diagnostizierung wurde als wirksames Mittel der Gesellschaft zur eigenen Stabilisierung gegenüber Abweichungen von der gesellschaftlichen Norm untersucht.
Noch bis in die jüngere Gegenwart hinein wurde der Begriff Psychopath bzw. Psychopathie für Persönlichkeitsstörungen benutzt. Die Untersucher wiesen auf die Gefahr hin, dass nach einmalig erfolgter Etikettierung eines Menschen, die Betroffenen sich mit den Inhalten und Erwartungen einer solchen diagnostischen Zuschreibung identifizieren und so die Störung quasi auf Dauer festgeschrieben würde.
Ist die Diagnose die einer Persönlichkeitsstörung (nicht nur auf einzelne Verhaltensweisen begrenzt), so verschärft sich dieses Problem noch, da sich die Diagnose dann „immer auf die Person als Ganzes“ (Fiedler 1998 S. 6) bezieht. Erfolgt nun die Zuschreibung einer Persönlichkeitsstörung an einen Betroffenen, kann dies zu einer „zunehmenden Beunruhigung des sozialen Systems“ (Fiedler 1998 S. 6) führen, da ein möglicher Verlust der sozialen Kontrolle über den „Gestörten“ befürchtet wird.
Gleichzeitig aber kann eine professionell gestellte Diagnose die Sozietät durch ihre Fundiertheit und die beinhalteten Möglichkeiten der Behandlung wieder beruhigen. Der Betroffene selbst läuft jedoch Gefahr sich mit Zuschreibungen von Merkmalen zu identifizieren und ihm wird gleichzeitig fehlende Kompetenz in seiner eigenen Einschätzung der aktuellen Situation (und damit zu ihrer Mitgestaltung) unterstellt.