Definition Persönlichkeitsstörung: F60, DSM, ICD 10
Durch wiederholt auftretendes Verhalten werden einer Person zeitstabile, situationsunabhängige Eigenschaften zugeschrieben. Dieser Prozess kann sowohl die eigene wie auch andere Personen betreffen. Eine Funktion der Zuschreibung von Persönlichkeitseigenschaften ist eine Erleichterung des sozialen Umgangs, indem das Verhalten anderer Menschen verständlicher und vorhersehbarer ist. Sie dient aber auch der eigenen zwischenmenschlichen Abgrenzung und der Definition von Gruppenzugehörigkeiten.
Bei der Beschäftigung mit den diagnostischen Kriterien von verschiedensten Persönlichkeitsstörungen hatte ich zahlreiche Aha-Effekte. Viele der Beschreibungen von Persönlichkeitsstörungen treffen anscheinend auch auf Freunde, Familienmitglieder und vor allen Dingen auch auf mich selbst zu.
Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: das Medizinstudentensyndrom (die Neigung eine zu studierende Krankheit in sich selbst, Freunden etc. zu erkennen). Gerade bei Persönlichkeitseigenschaften sollten wir darauf achten, dass eine wirkliche Störung durch die Extreme mehrerer Persönlichkeitsmerkmale definiert ist, die über eine sehr lange Zeit bestehen und dysfunktional sind. Diesen Gedanken werde ich im Hinterkopf behalten, wenn wir in den nächsten Wochen weitere Störungsbilder differenziert kennenlernen.
Zimbardo und Gerrig gehen davon aus, dass es keine absolut objektive Diagnose psychischer Störungen bzw. abweichenden Verhaltens geben kann. In der neueren Forschung geht man immer mehr davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen Interaktionsstörungen sind. Es wird von einem „Komplement“ von Persönlichkeitsstörungen anderer Personen ausgegangen, die aus dem Umfeld des Klienten an den interpersonellen Krisen und Konflikten beteiligt sind, und selbst etwaige extrem-vorhandene bzw. defizitäre Kompetenzen im zwischenmenschlichen Bereich aufweisen.
Charakteristisch für Persönlichkeitsstörungen ist das Umschlagen der Effizienzdimension in eine Konfliktdimension. Statt einer ausgewogenen Zusammenarbeit kommt es zu Konflikten zwischen Fühlen und Empfinden (z.B. bei Schizoiden) oder zwischen Denken und Spontanverhalten (z. B. bei aggressiven Störungen). Anstatt einer Interaktion der Systeme, herrscht das Entweder- Oder- Prinzip. (vgl. Kuhl 2001, S. 867)