Generationsübergreifende Schuldzuweisungen
Der generationsübergreifende Aspekt der Schuld- und Verdienstbuchführung kommt vorwiegend über die Erziehung der Kinder zum Tragen . Die Eltern vermitteln ihrem Kind durch die Erziehung ihre Vorstellungen von Werte und Normen. Über diesen Weg werden die Eltern zu „Gläubigern“ und das Kind zum „Schuldner“, d.h. es ist verpflichtet, sich den Eltern, und all den anderen vorangegangenen Generationen, denen die Werte und Normen entspringen, in dem Maße loyal zu zeigen, als dass es seinerseits die Erwartungen, die an es gerichtet sind, erfüllt. Darüber hinaus trägt es seine „Schuld“ dadurch ab, dass es diese an seine eigenen Kinder weiter trägt und so „ (…) seine Schuld innerhalb des zwischen den Generationen bestehenden Rückkopplungssystems (…)“ (Boszormenyi-Nagy & Spark 1995, S. 78) begleicht.
Die neuen Loyalitätsverpflichtungen, die sich mit der Betreuung und Pflege eines Neugeborenen einstellen, können auch dazu dienen, sich von dem Schuldgefühl wegen der nicht oder nur unzulänglichen erfüllten Pflicht gegenüber den eigenen Eltern auszugleichen. Denn mit der Fürsorge zum eigenen Kind werden quasi Verdienste verbucht, die gegen die Schuld aufgerechnet werden (können). „Die Elternschaft ist eine einzigartige Chance, die innerlich empfundene, sich selbst angelastete Schuld der Illoyalität wiedergutzumachen.“ (Boszormenyi-Nagy & Spark 1995, S. 80). Sicherlich ist dies nicht der häufigste Grund, Vater oder Mutter werden zu wollen.
Die Entscheidung zur Elternschaft kann auch schlichtweg auf Liebe beruhen. Ich denke aber auch, dass diese Entscheidung ebenso auf anderen, zum Teil nicht bewussten, Gründen beruhen kann, z.B. um als Mutter oder Vater in spe das eigene Selbstwertgefühl zu steigern, indem man eine verantwortungsvolle Rolle annimmt und dadurch auch mehr Aufmerksamkeit durch das Umfeld und die Gesellschaft erhält. Die Familie, Freunde, Nachbarn, der Frauenarzt, die Familienkasse. Sie alle tragen meiner Meinung nach dazu bei.
Wie auch immer, diese Schuldgefühle, ob nun bewusst oder nicht bewusst, können auch dazu führen, dass sich das Kind später selbst das Recht an Lebensfreude verbietet und so z.B. zu keiner (dauerhaften) Loyalitätsbindung zum zukünftigen (Ehe-)Partner fähig sein wird.