Rollenübernahme bei Kindern
Die Familie ist eine so genannte Primärgruppe, in der das Kind seine ersten (primären) Erfahrungen mit sozialen Beziehungen macht. Hier erhält es Anerkennung und lernt Vertrauen. Die Funktionen der Primärgruppe sind Identitätsentwicklung, Beziehungslernen, die Regulation von Trieben und Gefühlen und Sozialisation, durch die sich das Individuum zu einer gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeit entwickelt. Dies geschieht u.a. durch Lernen von sozialem Rollenverhalten.
Eine Rolle bezeichnet das erwartete Verhalten an eine Person innerhalb einer bestimmten Bezugsgruppe (z.B. Familie). Die Erwartungen gehen von den Mitgliedern einer Gruppe aus, können aber auch von der Person an sich selbst gerichtet sein. Das Verhalten muss den Rollenerwartungen entsprechen, ansonsten riskiert der Betroffene, mit Sanktionen belegt zu werden (z.B. Missachtung). Bspw. beinhaltet die Rolle der Mutter, die Erwartungen, dass die Mutter ihre Kinder versorgt, erzieht und ihnen Liebe und Geborgenheit schenkt. Wird das erwartete Verhalten gezeigt, so erfolgen positive Sanktionen (z.B. Anerkennung).
Der Mensch lebt sein ganzes Leben innerhalb von Rollen. Anfänglich ist es die Rolle des Kleinkindes, dann die des Jugendlichen, später die des Studenten oder Lehrlings, des Familienvaters usw. Rollen verschaffen dem Menschen Sicherheit, da er um bestimmte Rollenerwartungen weiß und sie erfüllen kann. Sie können unterschieden werden nach formellen Rollen (Mutter, Arzt, Bürgermeister, etc.) und informellen Rollen (Sündenbock, Meinungsführer, Clown, etc.), welche der Anpassung eines Individuums an die Gruppe, sowie dem Funktionieren und der Aufrechterhaltung einer Gruppe dienlich sind. Informelle Rollen sind im Vergleich zu formellen Rollen eher unbewusst. Kinder aus alkoholbelasteten Familien neigen dazu, sich bestimmte Rollen anzueignen, um sich den problematischen Verhältnissen in der Familie anzupassen.
Wegscheider (1988) unterscheidet vier informellen Rollen, die typisch sind für das Rollenverhalten von Kindern aus Alkoholikerfamilien. Held, Sündenbock, Verlorene Kind und Clown. Diese Rollen beinhalten die Gefahr einer Rollenrigidität, d.h. das Verhaften in gelernten Rollen. Diese Rollen mögen sich durchaus zur Bewältigung einer bestimmten Lebenssituation als hilfreich erwiesen haben, wenn aber das Einnehmen von anderen Rollen nicht gelernt wird, werden spätere Beziehungen stets aus der gelernten Perspektive betrachtet. Bspw. wird sich der „Held“ auch in einer partnerschaftlichen Beziehung dafür verantwortlich fühlen, die Probleme des Partners zu lösen und für Frieden und Ordnung zu sorgen.