Kind und Krankheit
Krankheiten können überraschend und unerwartet auftreten, sodass man sich nicht darauf einstellen kann. Der erkrankte Körper reagiert nach biologischen Gesetzmäßigkeiten und Abwehrprozessen auf die Krankheitserreger bzw. -ursache, wodurch körperliche Einschränkungen auftreten.
Jeder Mensch erkrankt einmal in seinem Leben, was auch wichtig und nützlich ist, solange es keine lebensgefährlichen oder tödlichen Krankheiten sind. Doch wie eine Krankheit verarbeitet oder aufgenommen wird, ist erstens individuell verschieden und zweitens nach Alter und Entwicklungsstand abhängig. Kleine Kinder, die noch viel in ihrem Leben lernen müssen, haben wenig Erfahrung im Umgang mit Krankheiten, und sind abhängig von Außenstehenden bzw. Eltern, die sich um das Kind kümmern.
Im Gegensatz zur Krankheitserleben des Erwachsenen, verarbeitet „das Kind aufgrund eines noch unterentwickelten Abstraktionsvermögens einige Aspekte von Krankheit anders, da ihm die Erklärungsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien der Erwachsenen noch nicht zur Verfügung stehen.“ (Spielhofer, Abel-Pfeiffer & Willig, 1997, S.159).
Eine mögliche Reaktion des Kindes auf die Ängste vor der Krankheit, den Folgen und dem eventuell bevorstehenden Krankenhausaufenthalt klammern sie mehr an den Eltern und brauchen deren emotionale Unterstützung. Auf aufkommende Trennungssituationen reagieren Kinder nach bestimmten Verhaltensmustern, die das bestehende Verhältnis zu den Eltern prägen und beeinflussen.
Um dem Kleinkind eine ausreichende emotionale Unterstützung bieten zu können, ist es wichtig, dass auf die Bedürfnisse des Kleinkindes unmittelbar und feinfühlig eingegangen wird, da es seine Bedürfnisse noch nicht aufschieben kann und somit schneller frustriert ist, wenn sie nicht in dem für das Kind akzeptablen Toleranzbereich befriedigt werden. Für das Kind ist die Situation krank zu sein unbekannt, was bedeutet, dass das Vertrauen des Kindes in die Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit der Mutter Voraussetzung ist, damit sich es sich sicher und geborgen fühlen kann.
In diesem Zusammenhang kann der Begriff der Feinfühligkeit genannt werden, welcher von Mary Ainsworth im Bezug auf das Verhalten der Mutter gegenüber dem Säugling gebraucht wurde. Aufgrund feinfühliger Reaktionen der Mutter auf Signale des kranken Kindes, das sich nach Nähe, Verlässlichkeit und prompter Bedürfnisbefriedigung sehnt, kann der Genesungsprozess beschleunigt werden, da psychisches Erleben und Krankheit sich gegenseitig bedingen können.