Borderline Störung: Definition nach DSM IV
Kuhl äußert die These: „daß diese Störung besonders bei Personen auftritt, die eine genetische und/oder früh erworbene Disposition aufweisen, auf Belastung und Streß noch mehr mit Erregung und Aktivierung als mit der Hemmung von positiven bzw. Bahnung von negativen Affekt zu reagieren.“ (Kuhl, 2001, S. 923). In dem Fall würde eine erworbene Kopplung von positivem und negativem Affekt automatisch die Temperamentsebene so stark aktivieren, dass Bewältigungsversuche die Kommunikation zwischen den Hemisphären nicht nachhaltig fördern.
Auch könnte man die Ambivalenz gegenüber den freundlichen Annäherungen anderer dadurch erklären, dass Borderline-Patienten eine Disposition haben, auf positiven Affekt (der durch die Annäherung zunächst ausgelöst werden mag) mit konditioniertem negativen Affekt zu reagieren. (vgl. Kuhl, 2001, S. 924).
Kuhl vermutet den Erfolg gängiger Maßnahmen wie starker Strukturierung des Alltags, selbstsicherem Auftreten der Bezugspersonen, Ausstrahlen von Autorität, da gerade diese Maßnahmen geeignet sind, die Impulsivität und die Erregbarkeit der Patienten zu dämpfen. (vgl. Kuhl, 2001, S. 925). „Der Zugang zu kohärenten Komplexen des EG ist besonders erschwert, weil er nicht durch Hemmung unterdrückt wird (und damit zumindest bei Enthemmung zeitweise freikommt), sondern durch einseitige Aktivierung des Empfindungssystems umgangen wird.“ (Kuhl, 2001, S. 925).
Somit ließe sich die Wut über das eigene Erleben und Verhalten und besonders die Verärgerung über nicht selbstkongruente Gefühle und Verhaltensweisen erklären. Borderline-Patienten achten aufgrund der gesteigerten Empfindungsfunktion permanent auf ihre soziale Umgebung und reagieren aufgrund der gesteigerten Verhaltensbahnung und Erregbarkeit auch auf für die meisten Menschen eher Unwichtiges oder Privates emotional sehr intensiv.
Diagnostische Kriterien der Borderline Störung gemäß DSM-IV
Die Borderline-Störung wird definiert als ein durchgängiges Muster von Instabilität in den zwischenmenschllichen Beziehungen, des Selbstbildes und der Gefühle, sowie eine ausgeprägte Impulsivität. Der Beginn der Borderline-Störung liegt im frühen Erwachsenenalter. Die Störung manifestiert sich in den verschiedenen Lebensbereichen.
Diese Störungskategorie wird gemäß dem DSM- IV diagnostiziert, wenn mindestens 5 der folgenden Symptome vorliegen: (vgl. Fiedler 1997, S. 222/224)
- verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern,
- ein Muster von insatbilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen den beiden Extremen der Überidealisierung und Abwertung auszeichnet;
- Identitätsstörung: eine ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls von sich selbst;
- Impulsivität bei mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten (z.B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmißbrauch, rücksichtsloses Fahren, Freßanfälle)
- wiederholte Suiziddrohungen, -andeutungen oder – versuche oder andere selbstverstümmelnde Verhaltensweisen;
- Instabilität im affektiven Bereich, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der akuten Stimmung gekennzeichnet ist. (z.B. intensive episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Zustände gewöhnlich einige Stunden oder, in seltenen Fällen, länger als einige Tage andauern);
- chronisches Gefühl der Leere;
- übermäßige, starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut oder Prügeleien);
- andauernde, streß-abhängige paranoide oder schwere dissoziative Symptome.
Diese Symptome der Borderline- Störung liegen einer extremen Kombination von Impulsivität und sensorischer Erregung zugrunde. Die Verzerrung, das Menschen und Gegenstände , die sowohl positive wie auch negative Seiten haben, nur positiv oder nur negativ gesehen werden (d.h. idealisiert oder abgewertet werden), wäre durch die einseitige Aktivierung des Objekterkennungssystems zu erklären. (vgl. Kuhl, 2001, S. 922).